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Urteil Versicherungsgericht (SG - AVI 2010/64)

Zusammenfassung des Urteils AVI 2010/64: Versicherungsgericht

Die Firma A. meldete am 1. März 2010 einen wetterbedingten Arbeitsausfall im Steinbruch B. für Februar 2010, da die Sicherheit aufgrund von Eisbildung nicht gewährleistet war. Das Amt für Arbeit erhob Einspruch gegen die Schlechtwetterentschädigung, da kein Nachfrage- und Umsatzrückgang aufgrund des Wetters nachgewiesen wurde. Die Firma A. legte Einspruch ein und argumentierte, dass der Arbeitsausfall direkt durch das Wetter verursacht wurde. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Schlechtwetterentschädigung wurde schliesslich gutgeheissen, da der Arbeitsausfall unmittelbar durch das Wetter verursacht wurde und die Voraussetzungen erfüllt waren.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AVI 2010/64

Kanton:SG
Fallnummer:AVI 2010/64
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:AVI - Arbeitslosenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid AVI 2010/64 vom 15.04.2011 (SG)
Datum:15.04.2011
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 42 Abs. 1 AVIG: Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung im Steinbruchgewerbe. Das Vorliegen konkreter Aufträge stellt für die Anspruchsberechtigung keine notwendige Voraussetzung dar, wenn aufgrund der Witterung die Arbeit tatsächlich eingestellt werden musste (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 15. April 2011, AVI 2010/64). Abteilungspräsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichter Joachim Huber, Versicherungsrichterin Marie Löhrer; Gerichtsschreiber Marcel Kuhn Entscheid vom 15. April 2011 in Sachen
  1. , Beschwerdeführerin, gegen Amt für Arbeit, Unterstrasse 22, 9001 St. Gallen, Beschwerdegegner, betreffend Schlechtwetterentschädigung (anrechenbarer Arbeitsausfall) Sachverhalt:
Schlagwörter: Arbeit; Stein; Arbeitsausfall; Schlechtwetterentschädigung; Steinbruch; Einsprache; Einspracheentscheid; Witterung; Beschwerdegegner; Wetter; Arbeitnehmer; Umsatzrückgang; Verfügung; Aufträge; Voraussetzung; Anspruch; Ausführung; Arbeitslosenversicherung; Steinbruchgewerbe; Ausrichtung; Erwerbszweig
Rechtsnorm: Art. 34 AVIG;Art. 43 AVIG;Art. 43a AVIG;
Referenz BGE:124 V 242;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AVI 2010/64

A.

  1. Die A. reichte am 1. März 2010 eine Meldung über den wetterbedingten Arbeitsausfall für Februar 2010 betreffend den Steinbruch B. ein. Aufgrund der Kälte hätte die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden können, da der Abstieg zum Abbauschacht und zur Abbausohle vereist gewesen sei. Drei Arbeitnehmer hätten deshalb für 20 Tage nicht arbeiten können (act. G 9).

  2. Mit Verfügung vom 17. März 2010 erhob das Amt für Arbeit gegen die Auszahlung von Schlechtwetterentschädigung Einspruch (act. G 6.1/A9). Gegen diese Verfügung erhob die A. am 12. April 2010 Einsprache und führte aus, dass der Arbeitsausfall unmittelbar durch das schlechte Wetter verursacht worden sei und nicht weil die Nachfrage wegen schlechten Wetters ausgeblieben sei. Im Steinbruch werde stets nur für das Rohstofflager gearbeitet, auf welches dann zurückgegriffen werden könne. Die Fortführung der Arbeiten im Steinbruch hätte trotz genügenden Schutzvorkehrungen

nicht zugemutet werden können. Zudem sei es aus technischen Gründen nicht mehr möglich gewesen den Stein abzubauen. Der Arbeitsausfall sei ordnungsgemäss gemeldet worden, wodurch sämtliche Voraussetzungen erfüllt seien (act. G 6.1/A10). Mit Einspracheentscheid vom 28. Mai 2010 wies das Amt für Arbeit die Einsprache mit der Begründung ab, dass ein anrechenbarer Arbeitsausfall nur dann anzunehmen sei, wenn ein Nachfrage- und Umsatzrückgang kausal adäquat durch das schlechte Wetter entstanden sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da keine Aufträge vorgelegen hätten, die aufgrund der schlechten Witterung nicht hätten bedient werden können. Hingegen seien im Februar 2010 Lageraufstockungen für künftige Auftragseingänge geplant gewesen. Dieser Arbeitsausfall sei mangels Kundenausfall nicht anrechenbar (act. G 6.1/A11).

B.

    1. Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom

      21. Juni 2010 mit den Anträgen, der Einspracheentscheid vom 28. Mai 2010 und die Verfügung vom 17. März 2010 seien aufzuheben und der Beschwerdeführerin sei eine Schlechtwetterentschädigung im beantragten Umfang zuzusprechen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners sei ein Kundenausfall nicht Voraussetzung für den Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung. Ein Analogieschluss aus der Kurzarbeitsentschädigung sei falsch, da diese an ein wirtschaftliches und die Schlechtwetterentschädigung an ein meteorologisches Ereignis anknüpfe. Ein Steinbruch arbeite nur in äusserst seltenen Fällen direkt auf Kundenwunsch. Im normalen Arbeitsablauf würden das ganze Jahr über Steine abgebaut, welche dann bei Auftragseingang entsprechend bearbeitet würden. Ohne diese Vorarbeiten könne ein Stein in der passenden Ausführung nicht innert nützlicher Frist geliefert werden. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten im Betrieb nicht anderweitig eingesetzt werden können (act. G 1).

    2. In der Beschwerdeantwort vom 10. September 2010 beantragt der Beschwerdegegner die Abweisung der Beschwerde und verweist bezüglich einer Begründung auf den Einspracheentscheid vom 28. Mai 2010 (act. G 6).

    3. Die Beschwerdeführerin hat auf eine weitere Stellungnahme verzichtet (act. G 8).

Erwägungen:

1.

    1. Nach Art. 42 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0) haben Arbeitnehmer in Erwerbszweigen, in denen wetterbedingte Arbeitsausfälle üblich sind, Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung, wenn sie für die Versicherung beitragspflichtig sind das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben (lit. a) und sie einen anrechenbaren Arbeitsausfall erleiden (lit. b). Anrechenbar ist ein Arbeitsausfall, wenn er ausschliesslich durch das Wetter verursacht wird und die Fortführung der Arbeiten trotz genügender Schutzvorkehrungen technisch unmöglich wirtschaftlich nicht vertretbar ist den Arbeitnehmern nicht zugemutet werden kann, und wenn er vom Arbeitgeber ordnungsgemäss gemeldet wird (Art. 43 Abs. 1 AVIG). Der Arbeitsausfall ist u.a. insbesondere dann nicht anrechenbar, wenn er nur mittelbar auf das Wetter zurückzuführen ist (Kundenausfälle, Terminverzögerungen; Art. 43a lit. a AVIG).

    2. Gemäss Art. 65 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung (AVIV; SR 837.02) gehört u.a. das Steinbruchgewerbe zu den Erwerbszweigen, in denen grundsätzlich Schlechtwetterentschädigung ausgerichtet werden kann.

2.

    1. Zwischen den Parteien ist grundsätzlich unbestritten, dass aufgrund der schlechten Witterung die Arbeiten am Steinbruch in der massgebenden Periode eingestellt werden mussten (vgl. Einspracheentscheid vom 28. Mai 2010 Ziff. 4). Ebenfalls wurde vom Beschwerdegegner nicht bestritten, dass die Geltendmachung des Anspruchs grundsätzlich ordnungsgemäss erfolgt ist. Den vorliegenden Akten ist diesbezüglich nichts Gegenteiliges zu entnehmen, weshalb sich weitere Ausführungen dazu erübrigen. Zu prüfen gilt es hingegen, ob der entstandene Arbeitsausfall anrechenbar ist.

    2. Der Beschwerdegegner stellt sich im angefochtenen Einspracheentscheid auf den Standpunkt, dass ein anrechenbarer Arbeitsausfall nur dann anzunehmen sei, wenn ein Nachfrage- und Umsatzrückgang kausal adäquat durch das schlechte Wetter entstanden sei, ein konkreter Kundenantrag aufgrund der Witterung somit nicht durchführbar gewesen sei. Diese vom Beschwerdegegner geltend gemachte Voraussetzung lässt sich nicht direkt einer in Art. 43a AVIG aufgezählten Einschränkung für die Anrechenbarkeit des Arbeitsausfalls zuordnen (vgl. bezüglich Art. 43a lit. a AVIG, wonach die Kundenaufträge – im Unterschied zum vorliegend zu beurteilenden Fall – aufgrund der schlechten Witterung ausbleiben, BGE 124 V 242 f. E. 3b). Die in Art. 43a AVIG genannten Ausschlusstatbestände sind allerdings nicht abschliessend, sondern nur beispielhaft aufgezählt (Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XIV Soziale Sicherheit, 2. Auflage 2007, Rz 557). In Verordnung und der Verwaltungspraxis werden bislang keine weiteren, den Tatbeständen des Art. 43a AVIG gleichgelagerten Ausschlussgründe angeführt (Nussbaumer, a.a.O., Rz 562). Eine extensive Auslegung von Art. 43a AVIG im Sinn der Ausführungen des Beschwerdegegners erscheint vorliegend denn auch nicht angezeigt. Die Beschwerdeführerin führte in der Beschwerde nachvollziehbar aus, dass im Steinbruch grundsätzlich das ganze Jahr und unabhängig von konkreten Aufträgen Steine abgebaut werden. Diese Darstellung erscheint plausibel und wurde vom Beschwerdegegner grundsätzlich auch nicht in Frage gestellt. Würde nun die Ausrichtung einer Schlechtwetterentschädigung im Steinbruchgewerbe an das Vorhandensein von konkret auszuführenden Aufträgen geknüpft, wäre beim vorliegenden Arbeitsablauf eine Entschädigung in aller Regel bereits im Voraus ausgeschlossen. Dies würde allerdings dem Sinn und Zweck der Schlechtwetterentschädigung und insbesondere auch Art. 65 Abs. 1 lit. a AVIV widersprechen, welch letztere Bestimmung die Schlechtwetterentschädigung explizit für den Erwerbszweig Steinbruchgewerbe vorsieht. Unbestritten mussten im vorliegend zu beurteilenden Fall die Angestellten im Steinbruch ihre Arbeit aufgrund der schlechten Witterung aussetzen, wodurch der Beschwerdeführerin ein Aufwand in Höhe der zu entrichtenden Löhne entstand, ohne dass sie dafür eine Gegenleistung erhielt. Indem sich die Schlechtwetterentschädigung nach dem anrechenbaren Verdienstausfalls bemisst (vgl. Art. 44 i.V.m. Art. 34 Abs. 1 AVIG), wird der Beschwerdeführerin der entstandene Schaden zumindest teilweise (80%) ersetzt. Da

somit nicht ein allfälliger Umsatzrückgang, sondern die Lohnkosten versichert sind, rechtfertigt es sich nicht, die Ausrichtung einer Schlechtwetterentschädigung an das Erfordernis eines zur Witterung adäquat kausalen Nachfrage- Umsatzrückgangs zu knüpfen. Entscheidend ist lediglich, dass es aufgrund der schlechten Witterung unmittelbar zu einem Arbeitsausfall gekommen ist. Der Einspruch gegen die Ausrichtung von Schlechtwetterentschädigung wurde daher zu Unrecht erhoben.

3.

    1. Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde unter Aufhebung des angefechtenen Einspracheentscheids gutzuheissen.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a des Bundesgesetzs über den

Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]).

Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:

  1. In Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom 28. Mai 2010

    aufgehoben.

  2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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